Eine Europäerin auf persischer Blauweiß-Keramik

Chinesisches Blauweiß-Porzellan ist weltbekannt. Blauweiße Keramik wurde aber nicht nur in China, sondern beispielsweise auch in Japan, Vietnam, Iran, der Türkei, in Ägypten und Europa produziert. Nur selten kam es vor, dass eine Mode sich in so vielen verschiedenen geografischen Regionen durchgesetzt hat und lokal nachgeahmt wurde.

Wir begeben uns auf eine reise mit diesen zerbrechlichen stücken und erleben eine Geschichte von Handel, Innovation und kulturellem Austausch. Im Zentrum steht dabei blauweiße Keramik aus Iran.

Unsere Erkundung beginnt mit einem außergewöhnlichen Objekt aus der Sammlung des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Es handelt sich um eine große, weiße Schale mit kobaltblauer Bemalung, die im 17. Jahrhundert in Iran hergestellt wurde. Wir wollen uns ihre detailreichen Darstellungen genauer ansehen: Zu erkennen sind unterschiedlich gekleidete Menschen vor einer stilisierten Landschaft. Die Darstellung der großen Wolke und des Pinienbaums erinnern an chinesische Malerei. Auf die rechte Seite ist eine Frau mit einem Kind auf dem Arm gemalt. Hier erinnert die Abbildung an christliche Mariendarstellungen mit dem Jesuskind.

Das weckt unsere Neugier: Warum wurde wohl eine solche Mischung von Kunststilen und Motiven gewählt? Für die Beantwortung dieser Frage betrachten wir zunächst die Geschichte der Blauweiß-Keramik im globalen Handel.

Der globale Handel

Chinesisches Blauweiß-Porzellan in Westasien

Seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. wurde Keramik in China mit Pigmenten aus Eisen (braun), Kupfer (grün) oder Kobalt (blau) glasiert. Malereien in zartem Blau auf reinweißem Porzellan unter einer transparenten Glasur waren zu Beginn des 14. Jahrhunderts jedoch eine neue und überraschende Errungenschaft. Zu dieser Zeit erschloss das riesige Gebiet des Mongolischen Reiches Märkte von China bis in den Nahen Osten. In dieser Zeit wurde chinesisches Blauweiß-Porzellan zu einer der meistgehandelten Waren in Westasien, einschließlich des heutigen Irans, der Türkei und Ägyptens.

Zum Grabheiligtum des Schaich Safi ad-Din in Ardabil, heute im Norden Irans, gehört ein Porzellanhaus (chinikhane), ein Gebäude, das einzig der Ausstellung von Porzellan diente. Schah Abbas I. (1571-1629) spendete dem Schrein mehr als tausend Stücke chinesischen Blauweiß-Porzellans.

Blauweisse Ware auf persischen Gemälden

Diese Buchmalerei aus dem Jahr 1420 zeigt das Treffen zwischen dem persischen König Schahruch und seinem Sohn Baisunqur am Hof. Mehrere Gefäße aus blauweißem Porzellan sind auf dem Boden ausgestellt und verdeutlichen den Wert, der chinesischem Porzellan beigemessen wurde.

Iranian anthology for Timurid Prince Baisunqur, son of Shahrukh, Museum für Islamische Kunst, I. 4628 S. 223

Handel mit Europa

Im 16. Jahrhundert gelangten erstmals große Mengen des chinesischen Blauweiß-Porzellans nach Europa. Zunächst waren es portugiesische Händler, später niederländische Gesellschaften, die mit der Ostindien-Kompanie den Seehandel mit Indien und China dominierten. So wird noch heute eine Gruppe von chinesischem Exportporzellan, die mit Schiffen nach Europa kam, nach dem portugiesischen Wort für Schiff (carrack) als Kraak-Porzellan bezeichnet. Die Mode für chinesisches Blauweiß-Porzellan erreichte in Europa im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Auch hier wurden in lokalen Werkstätten blauweiße Keramiken hergestellt und chinesische Motive kopiert.

Portugiesen treffen auf Iraner

Im 16. Jahrhundert übernahmen die Portugiesen die Kontrolle über wichtige Handelsrouten, die den Persischen Golf, die afrikanische Küste und die Westküste Indiens verbanden. Zuvor waren diese von arabischen Händlern kontrolliert worden. Die Portugiesen operierten von Malakka (Malaysia) aus, betrieben Handel mit dem Fernen Osten und transportierten chinesische Waren von den indonesischen Inseln nach Indien.

Später gelangten diese Waren nach Hormuz, das heutige Bandar Abbas am Persischen Golf, einem wichtigen Hafen für europäische Händler, die aus Ostasien nach Europa reisten. Im Jahr 1622 wurde Hormuz von der anglo-persischen Allianz erobert. Auf diese Weise gelangte das für Europa bestimmte Porzellan nach Iran und begann sich in anderen Teilen der islamischen Welt zu verbreiten.

Diese anonyme Illustration eines portugisischen Künstlers aus dem 16. Jahrhundert, die im Códice Casanatense zu finden ist und heute in der Biblioteca Casanatense in Rom aufbewahrt wird, zeigt Menschen persischer Herkunft aus dem Königreich Hormuz.

Portuguese meeting Persians, Public domain

Schau genau!

Die Schale hat einen Durchmesser von 45,7 cm und wiegt rund 6 Kilogramm. Doch wozu wurde sie verwendet?

Wahrscheinlich wurden Schalen wie diese für Feste und große Tafeln gefertigt. Wie wir zu Beginn beobachtet haben, ist die Malerei auf der Schüssel besonders. Die Landschaft weist viele Elemente aus der chinesischen Kunst auf, so sind etwa die Wolken in Form von Kreisen stilisiert dargestellt und der Felsen, auf dem die Figuren stehen, fungiert als Bühne.

Sind Dir auch die Figuren auf dem Bild aufgefallen?

Auf der Schüssel sind elf Figuren dargestellt, von denen jede in ihrer Gestik und Kleidung einzigartig ist: Links ein junger Mann auf einem Ochsen, rechts ein weiterer, der seinen Hut zum Gruß hebt – die Vielfalt fasziniert!

Die Frau mit dem kleinen Kind auf dem Arm erinnert uns an ein zentrales, wiederkehrendes Figurenpaar der christlich-europäischen Malerei: die Heilige Maria und das Jesuskind.

Die Figur rechts spielt eine Laute und trägt einen europäischen Hut. Dabei wissen wir nicht genau, ob ein Europäer oder ein Iraner mit europäischer Kleidung dargestellt ist.

Ein überraschendes Detail!

Unter der Mutter mit ihrem Kind erkennen wir pseudo-lateinische Schriftzeichen. Dies spricht dafür, dass das Bild eine europäische Vorlage gehabt haben könnte.

a pseudo-Latin writing! Museum für Islamische Kunst, I. 4225

Isfahan: Die Stadt an der Kreuzung

Die Verschmelzung europäischer Figuren mit chinesischer Landschaft auf dieser Schale wirft Fragen auf. Mögliche Antworten liefert uns die Stadt Isfahan, die im17. Jahrhundert die blühende Hauptstadt des Safawidenreichs war. Sie erzählt uns eine Geschichte kultureller Annäherung und künstlerischen Austauschs.

Es gibt ein altes persisches Sprichwort: اصفهان نصف جهان [Isfahan, die Hälfte der Welt.]

Als Hauptstadt des Safawidenreichs war Isfahan im 17. Jahrhundert eine der größten und wichtigsten Städte im Mittleren Osten. Sie liegt an den Kreuzungen der wichtigsten Nord/Süd- und Ost/West-Handelsrouten, die Zentralasien durchqueren. Europäische Diplomaten, katholische Missionare, Händler und Reisende besuchten Isfahan. Ausgelöst durch diese Kulturkontakte wurde europäische Kleidung zu einer neuen Mode. So gibt es in der persischen Malerei viele europäisch gekleidete Figuren. Sie finden sich an der Wand des Tschehel Sotun Palastes in Isfahan genauso wie auf persischer Keramik.

Diese Wandmalereien stammen aus dem Tschehel Sotun Palast. Die männliche Figur auf der linken Seite trägt einen kurzen Mantel mit Überwurf, spanische Hosen und einen Hut mit großer Krempe und Feder. Diese Kleidung ist der europäischen Mode nachempfunden.

Wall painting of European figures in the Chihil Sutun Palace, Photo: Shunhua Jin, 2019
Wall painting of European figures in the Chihil Sutun Palace, Photo: Shunhua Jin, 2019

Made in C̶H̶I̶N̶A̶ Iran

Im frühen 17. Jahrhundert begann man in lokalen Werkstätten in Iran mit der Produktion eigener Blauweiß-Keramik. Viele Gefäße orientierten sich in Form und Dekoration eng an den chinesischen Vorbildern, sodass sie von ihnen kaum zu unterscheiden waren. Der größte Unterschied war jedoch, dass sie aus einer Tonmasse (Quarzfrittekeramik) und nicht aus Porzellan gefertigt wurden.

Von einem europäischen Reisenden des17. Jahrhunderts wissen wir, dass chinesisches Porzellan, das nach Europa verschifft werden sollte, mit Keramikwaren aus Iran vermischt wurden. Zu einer Zeit, in der die Ming-Dynastie in China (1368-1644 n. Chr.) im Niedergang begriffen war, reichte die Produktion von Porzellan nicht aus, um die große europäische Nachfrage zu decken. Iranische Handwerker nutzten diese Gelegenheit und bedienten erfolgreich den Markt.


Ein faszinierendes Detail!

Wie lässt sich unterscheiden, ob eine Keramik in Iran oder in China hergestellt wurde?

Auf dem Boden von chinesischer Keramik finden sich sogenannte Porzellanmarken. Die persischen Töpfer ahmten diese chinesische Tradition nach. Bei chinesischem Porzellan besteht dieser Stempel typischerweise aus chinesischen Schriftzeichen (Bespiel rechts). Unter der linken Schale sehen wir eine Pseudomarke, die nicht tatsächliche chinesische Schriftzeichen wiedergibt, sondern einfache Striche aufweist, die den Anschein von Chinesisch erwecken sollen. Dieses Detail wurde zu einem Schlüssel, um zu erkennen, ob ein Stück in Persien oder in China hergestellt wurde. Wer sich etwas besser auskannte, konnte zudem erkennen, ob es sich um Porzellan oder Quarzfritte handelte.

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Lange bevor Christoph Kolumbus den amerikanischen Kontinent erreichte und die Portugiesen nach Indien gelangten, hatte der Handel zwischen dem Nahen und Fernen Osten zu Land und zu Wasser eine jahrhundertelange Tradition. Chinesisches Porzellan wurde seit dem 9. Jahrhundert in den Nahen Osten exportiert. Auf der anderen Seite waren chinesische Handwerker auf das aus Iran importierte blaue Kobaltpigment angewiesen. Sie entwickelten daraus schließlich ihr weltberühmtes Blauweiß-Porzellan, das über Jahrhunderte, bis heute, in weiten Teilen der Welt beliebt wurde.

Über die Autorin

Dr. Shunhua Jin forscht über die islamische Materielle Kultur in China, einschließlich chinesischer Moscheen und Handschriften. Sie untersucht auch den kulturellen Austausch zwischen Ostasien und der islamischen Welt, wobei sie ein spezifisches Interesse am künstlerischen Austausch zwischen China und dem Iran im 16. und 17. Jahrhundert hat. Sie verfasste diesen Aufsatz während eines Forschungsaufenthalts im Rahmen des Internationalen Stipendienprogramms bei den Staatlichen Museen zu Berlin (2023-2024).