The Alhambra cupola installed in the galleries of the Pergamonmuseum (I. 5/ 78) © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Johannes Kramer, Lizenz CC BY-SA 4.0

Von Granada nach Berlin

Die Alhambrakuppel im Museum für Islamische Kunst

About the Story

Im Sommer 2024 wurde eines der faszinierendsten Objekte der Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst temporär abgebaut: die Alhambrakuppel. Diese Kuppel, hergestellt aus verschiedenen Nadelhölzern, Ahorn und Pappel, besteht aus vielen Einzelteilen, die sorgfältig und mit großer Geduld geschnitzt wurden und ursprünglich bemalt waren. Die Kuppel kam 1978 ins Museum, doch ihren Weg nach Berlin fand sie bereits beinahe ein Jahrhundert zuvor. Diese Story berichtet von Herkunft und Transfer der Kuppel; eine weitere Story beschäftigt sich mit Abbauprozess und Zukunft der Kuppel in der neuen Dauerausstellung.

Die Kuppel der Alhambra

Handwerk und Design

Die Palastanlage Alhambra in Granada stellt ein faszinierendes Zeugnis der Handwerkskünste in al-Andalus dar, denjenigen Regionen der Iberischen Halbinsel, die zwischen 711 und 1492 unter muslimischer Herrschaft standen. Die geschnitzte Holzkuppel im Museum für Islamische Kunst stammt aus einem Gebäude innerhalb dieser Palastanlage.

Die aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte Kuppel im Museum für Islamische Kunst ist reich geschnitzt. Ursprünglich war sie auch mehrfarbig bemalt. Reste von roter, blauer und grüner Bemalung sind heute noch erkennbar.

Zentrum der Kuppel

Insgesamt misst die Kuppel fast zwei Meter in die Höhe und dreieinhalb Meter sowohl in Breite als auch in Tiefe. Das Zentrum der Kuppel bildet ein Sechzehneck mit einer sechzehnstrahligen Rosette, das von Weitem den Anschein erweckt, beinahe rund zu sein. Um das zentrale Element sind sechzehn trapezförmige Bretter mit Sternflechtwerk angeordnet, die nach unten hin in die Breite auslaufen.

Detailaufnahme der zentralen sechzehnstrahligen Rosette in ausgebautem Zustand © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Franziska Kabelitz

Die Kuppel im Detail


Ursprünglich war die Kuppel über dem quadratischen Raum des Partal-Aussichtsturms eingebaut. Daher ruht diese Dachkonstruktion auf einem quadratischen Sockel, der in mehreren Abstufungen in das durch die Bretter gebildete Sechzehneck übergeht. Jede dieser Abstufungen ist verschieden dekoriert. Es finden sich eine Ebene mit Muschelrosetten, Pinienzapfen und Rankenwerk. Darauf folgt ein Stalaktitengesims (Muqarnas). Auf diesem findet sich in steter Wiederholung eine arabische Inschrift, welche die nasridische Herrscherdevise Es gibt keinen Sieger außer Gott wiedergibt. Im Kontext der andauernden territorialen Bedrohung durch christliche Nachbarkönigreiche kann dieser Leitspruch als eine Proklamation der Souveränität des Islam gelesen werden. Die durch das Sechzehneck normalerweise freistehenden Ecken des quadratischen Sockels sind durch Dreiecke mit kleinen Muqarnas-Konstruktionen aufgefüllt.

Die Kuppelstruktur

Durch die Anwendung einheitlicher Dekorationsschemata sollten die Decken der Alhambra eine besondere ästhetische Erfahrung vermitteln und in ihrer Motivik mit den in Stuck gefertigten Wanddekorationen zusammenwirken. Der Kontrast zwischen den flachen Flechtbändern und den erhabenen Reliefelementen macht schlussendlich die Anziehungskraft dieses Dekors aus.

Die dieser Ästhetik zugrundeliegenden geometrischen Muster und Verläufe wurden bis ins kleinste Detail geplant. Im Falle der Alhambrakuppel im Museum für Islamische Kunst ist die Grundlage des Musters ein Kreis, aus dem eine komplexe, sechzehnstrahlige geometrische Sternenform konstruiert wurde, deren Einheiten und Variationen im Anschluss auf die gesamte Kuppel-Fläche ausgedehnt wurden. 

Holzdecken dieser Art befanden und befinden sich auch in vielen weiteren Gebäuden der Iberischen Halbinsel sowie Nordafrikas, so auch in weiteren Gebäuden der Alhambra.

Wer hat die Kuppel hergestellt?



Über die Namen und Persönlichkeiten der Architekten und Handwerker, die die Alhambra erbauten, ist heute nur sehr wenig bekannt. Allerdings finden sich Spuren ihrer Methoden auf Teilen verschiedener Kuppeln in der Alhambra, so auch auf denen der Berliner Kuppel. Für die Planung und Ausführung der komplexen geometrischen Formen dieser Holzkuppeln wurde häufig mit einem Markierungsystem gearbeitet: Zeichen wurden auf die Rückseite bestimmter Teile geritzt, um Zugehörigkeiten zu signalisieren. So konnten die individuellen Teile passgenau zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden.




Markierungen auf der Außenseite eines Kuppelelements © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Jutta-Maria Schwed

Von Granada nach Berlin

Über seine Geschichte hinweg wurde das Gebäude, aus dem die Kuppel stammt, mit vielen Namen bezeichnet. Heute ist es als Palacio del Partal oder Torre de las Damas bekannt. Dieses Gebäude wurde vom nasridischen Amir Muhammad III errichtet, der von 1302 bis 1309 regierte. Daher wird auch die Kuppel auf das frühe 14. Jahrhundert datiert. Sie überdachte den Aussichtsturm des Partal, von dem aus sich auch heute noch ein überragender Blick auf Granada ergibt.

Nach Ende der muslimischen Herrschaft in Granada durchlief die Alhambra über die Jahrhunderte hinweg verschiedenste Phasen von Nutzung bis hin zu Verfall. Dabei änderten sich immer wieder auch die Besitzverhältnisse; Teile der Anlage wurden verpachtet oder verkauft. In diesem Kontext erwarb der deutsche Bankier Arthur von Gwinner 1885 u.a. den Palacio del Partal aus Privatbesitz. Womöglich hatte von Gwinner von der Alhambra in London erfahren, wo er als junger Mann vier Jahre lang lebte und arbeitete. Zwischen 1842 und 1845 hatte der englische Architekt Owen Jones eine detaillierte Baustudie der Alhambra veröffentlicht. Spätestens im Zuge der Londoner Weltausstellung 1851, zu der Jones Nachbildungen der Alhambra einreichte, war die Palastanlage in aller Munde. 1880 zog von Gwinner arbeitsbedingt nach Madrid und begann, nach Granada zu reisen. 1886 kehrte er nach Deutschland zurück.

In den 1890er Jahren überließ von Gwinner sein Gelände in der Alhambra inklusive des Palacio del Partal der Stadt Granada. Im Gegenzug erhielt er die Erlaubnis, die Holzkuppel des Aussichtsturms ausbauen und exportieren zu dürfen. In Berlin wurde sie in sein Wohnhaus eingebaut. Vor dem Ausbau wurden Zeichnungen der Kuppel angefertigt, auf deren Grundlage die spanische Regierung in den 1960er Jahren eine Reproduktion in den Turm des Partal einbauen ließ.

Links: Blick in das Spanische Zimmer in von Gwinners Residenz, Berlin, um 1930 © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst, Fotoarchiv

Rechts: Blick in den Turm des Partal vor Einsetzung der Replik der Kuppel © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst, Fotoarchiv, Abbildungssammlungsnr. 15465

Auf einem Foto des Spanischen Zimmers in von Gwinners Haus ist die Kuppel eindeutig erkennbar. Außerdem ließ von Gwinner den Stuck im Partal abformen und platzierte diese Paneele unterhalb der Kuppel. Für die Wandabschnitte darunter erwarb er eine große Sammlung spanischer Fliesen des 16. Jahrhunderts (u.a. hier am rechten Bildrand sichtbar). Wann und wo diese Fliesen genau erworben wurden ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Aus dem Partal stammen sie jedoch nicht, da sich die Herstellungstechnik unterscheidet.

Die Einrichtung eines „orientalischen“ Zimmers oder Architekturen im orientalisierenden Stil waren im 19. Jahrhundert unter der europäischen und nordamerikanischen Elite zeitweise hoch in Mode. Weitere bekannte Beispiele sind die syrische Innenwanddekoration der Villa Herbert Gutmanns in Potsdam, die arabische Halle Lord Leightons in London, oder auch das Gewächshaus Serra Moresca in Rom.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde von Gwinners Wohnhaus durch einen Bombeneinschlag und damit verbundenen Brand zerstört. Die Holzkuppel war 1942 in ein Landhaus der Familie von Gwinner in der Altmark ausgelagert worden, wo die einzelnen Paneele in Kisten gelagert wurden. So überlebte die Kuppel den Krieg weitaus unbeschädigt; ein paar Verluste traten allerdings ein, als russische Soldaten zum Ende des Kriegs vermutlich Teile als Brennholz benutzten (vgl. Fußnote 243 in McSweeney, 2015, S. 179-180).

Einige der Fliesen aus der umfangreichen Fliesensammlung konnten ebenfalls gerettet werden. Diese wurden unlängst vom Museum für Islamische Kunst erworben. Teilweise sind die Brandspuren an den Fliesen noch sichtbar. In der neuen Dauerausstellung des Museums für Islamische Kunst wird der ursprüngliche Wandaufbau aus von Gwinners Spanischem Zimmer mit Stuck und Fliesen nachgebildet.

Fliesen aus von Gwinners Spanischem Zimmer

Inventarisierung der Fliesen

Um eine zusammenhängende Inventarisierung zu ermöglichen wurden die Fliesen zunächst gleichen Dekoren zugeordnet. Anschließend wurde ein Datensatz pro Objekt in der museumsinternen Datenbank erstellt. Hierdurch wurde jedem Objekt bzw. jeder Fliese eine individuelle Nummer zugeordnet, was der eindeutigen Identifikation des jeweiligen Objekts dient. Innerhalb der Staatlichen Museen zu Berlin wiederholen sich diese Identifikationsnummern sammlungsübergreifend nicht. Datensätze enthalten außerdem Angaben zu Herkunftsgeografie, Datierung, Material, Technik, Provenienz sowie Restaurierungsauflagen.

Nachdem die Objekte durch Ankaufs- bzw. Schenkungsvertrag offiziell in die Sammlung eingegangen waren, erhielt jedes Objekt auch noch eine Inventarnummer. Diese bezieht sich auf die spezifische Sammlung, in der sich das Objekt befindet, in diesem Fall also die Sammlung des Museums für Islamische Kunst.

Zudem wurden die Vorder- und Rückseiten jeder Fliese mit angelegtem Maßstab fotografiert sowie Höhe, Breite und Länge gemessen. Die Fotos wurden den Datensätzen als Arbeitsfotos hinzugefügt; ein weiterer Schritt, der die eindeutige Identifikation eines jeden Objekts unterstützt. Auch die Maße wurden selbstverständlich in den Datensätzen ergänzt.

Natürlich sind nachvollziehbare Dokumentation und Identifikation bei jedem Sammlungseingang wichtig. Der Umzug der Museumsdepots und die damit zusammenhängenden Objektbewegungen unterstreichen dies zudem.


Fotos: Beispiele von Arbeitsfotos aus der museumsinternen Datenbank mit Maßstab und individuell zuordnungsbarer Identifikationsnummer © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Franziska Kabelitz

Die Kuppel im Museum

1978 erwarb das Museum für Islamische Kunst die Kuppel von von Gwinners Nachfahren. Sie wurde zunächst in den Museumsräumen in Dahlem ausgestellt. Während des Zweiten Weltkriegs war die Kuppel auf ein Landgut der Familie von Gwinner ausgelagert, wo elf von insgesamt 41 Elementen verbrannten. Diese wurden 1979, ein Jahr nach Erwerb durch das Museum, in nachgeschnitzt.

1992 reiste die Kuppel nach New York, wo sie als Leihgabe in der Ausstellung Al-Andalus: The Art of Islamic Spain des Metropolitan Museum of Art gezeigt wurde. Im Rahmen dieses Transports erstellten Museumsmitarbeiter eine Einschätzung des Gewichts der Kuppel: Insgesamt ergab sich ein Gewicht von fast 540 kg, die dazugehörigen Eisenteile nicht mitgerechnet.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und der damit verbundenen Zusammenlegung der Museen in Ost- und West-Berlin war die Kuppel zwischen 2000 und Oktober 2023 im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum zu sehen.

Digitised inventory books in the Museum for Islamic Art

Die Sammlung des Museums für Islamische Kunst geht auf die Gründung der Islamischen Abteilung des damaligen Kaiser-Friedrich-Museums im Jahr 1904 zurück. Zwischen 1904 und 2014 wurden alle Sammlungseingänge in handschriftlich geführten Inventarbüchern dokumentiert. Seit 2014 werden Eingänge in einer digitalen Datenbank dokumentiert. Die historischen Inventarbücher des Museums für Islamische Kunst sind mittlerweile digitalisiert und öffentlich zugänglich: https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-fuer-islamische-kunst/sammeln-forschen/erwerbungsbuecher/

Über die Autorin

Franziska Kabelitz ist Wissenschaftliche Museumsassistentin i.F. am Museum für Islamische Kunst in Berlin. Mit Dank an Deniz Erduman-Çalış, Miriam Kühn, Farwah Rizvi und Jutta Maria Schwed.

Hinweis: Aus Gründen der Einheitlichkeit richten sich alle Jahresangaben in diesem Artikel nach christlicher Zeitrechnung.

Weiterführende Literatur:

· McSweeney, Anna. From Granada to Berlin: The Alhambra Cupola. Dortmund: Verlag Kettler, 2020.

· McSweeney, Anna. Arthur von Gwinner und die Alhambra-Kuppel. In: Gonnella, Julia und Jens Kröger (Hg.): „Wie die Islamische Kunst nach Berlin kam. Der Sammler und Museumsdirektor Friedrich Sarre (1865–1945).“ Berlin: Staatliche Museen zu Berlin / Dietrich Reimer Verlag, 2015. 

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