_DSC4269.JPGAusschnitt aus dem Objekt Nr. 43, Ident.-Nr. OID 2939492, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Irina Seekamp

Gestickte Gärten und wie sie die Welt ein wenig bunter machen.

Osmanische Stickereien

Wir nehmen osmanische Stickereien genauer unter die Lupe und schauen uns besondere Materialen und Sticktechniken an.

Unendliche Möglichkeiten

Stickerei hat im Osmanischen Reich (1299-1922) eine lange Tradition. Ob von Meistern in den Palästen und Werkstätten oder in kleinen Familienhäusern, überall wurde gestickt und die Welt ein wenig bunter gemacht.

Zu Hause wurde oft an einem rechteckigen Stickrahmen auf vier Beinen gestickt. Das Grundgewebe bestand aus Seide, Leinen oder Baumwolle und die mit Naturfarben gefärbten Stickfäden waren meist aus Seide. Besonders an den osmanischen Stickereien ist, dass es fast keinen Unterschied zwischen Vorder- und Rückseite gibt.

Mehr als nur schön anzusehen

Der Großteil der Stickereien wurde von Frauen hergestellt. Sie bestickten meist zu Hause, allein oder zusammen mit andern Frauen, Textilien für den Haushalt. Einige verkauften ihre Arbeiten und konnten so auch ohne eigenes Vermögen Geld verdienen. Junge Frauen stickten außerdem für ihre eigene Aussteuer. Durch wertvollen Materialien und komplexe Stichen zeigten sie ihren Reichtum und ihre Kunstfertigkeit.

Die Stickereien geben zusätzlich Auskunft über die Situation im Land. Werden viele Waren produziert und Werkstätte eröffnet, deuten dies auf eine große Nachfrage und somit auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Auch der Austausch mit anderen Ländern ist gut zu erkennen, so sind ab dem 18. Jahrhundert vermehrt europäische und chinesische Motive auf den Textilien zu erkennen.

Fille Turque, qui brode, plate 52 from "Recueil de cent estampes représentent differentes nations du Levant" by Jean Baptiste Vanmour, 1714–15

Die in dieser Story gezeigten Stickereien wurden in der Sonderausstellung „Gestickte Gärten - Textilien aus der Sammlung Borgs“ ausgestellt. In der Ausstellung wurde eine Vielzahl von Tüchern präsentiert: Spiegeltücher (Ayna örtüsü), Badetücher (Havlu), Handtücher (Peşkir), Gürteltücher (Uçkur) und Servietten (Yaǧlık). Sie sind zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert gefertigt worden und stammen aus unterschiedlichen Regionen der heutigen Türkei.

Die Stickereien genauer betrachtet

Vorstich

Der Vorstich bildet die Grundlage für eine Vielfalt von Stichen. Die simpelsten Versionen sind der Einfache Vorstich und der Verdoppelte Vorstich. Beim Einfachen Vorstich werden gleichmäßige Stiche in eine Richtung gestickt, sodass eine unterbrochene Linie entsteht. Beim Verdoppelten Vorstich wird durch einen Richtungswechsel die gestrichelte Linie zu einer durchgehenden Linie. Er wird meist als Umrandung von Motiven und zum Hervorheben von Details benutzt. Auf dem Bild links sind weitere Versionen des Verdoppelten Vorstiches zusehen.

Die Sticker:innen beherrschten diesen Stich meisterhaft und konnten auch komplexere Formen und Oberflächenstrukturen mit diesem darstellen.

Verschieden Formen des Verdoppelten Vorstiches ©ELLIS/WEARDER 2001

Plattstich

Der Plattstich auch Flachstich genannt, wird vor allem als Füllstich gearbeitet. Wenn er gleichmäßig gestickt wird, bildet er eine glatte Struktur, die seidig aussieht, weswegen der Stich im englischen "satin stitch" heißt.

Er kann sehr frei gearbeitet werden, für runde, gerade oder längliche Formen.

Plattstich (links) ©1979 Otto Maier Verlag Ravensburg, Plattstich (rechts) ©ELLIS/WEARDEN 2001

Grätenstich

Der Grätenstich, auch Federstich genannt, wird aufgrund seiner Form meist für Blumen und Blätter genutzt, aber auch für Stängel und Umrandungen. Er kann auf unterschiedliche Arten ausgeführt werden, zum Beispiel geradlinig oder versetzt, wie auf dem Bild zu sehen ist. 

Versetzter Grätenstich (links) ©1979 Otto Maier Verlag Ravensburg, Gerader Grätenstich (rechts) ©ELLIS/WEARDEN 2001
_DSC4266.JPGMetallstickerei aus Objekt Nr. 43, Ident.-Nr. OID 2939492, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Irina Seekamp

Metalllahn

Zur Veredelung der Stickereien kamen schmale Metallstreifen zu Einsatz, sogenannte Metalllahne aus Silber, Kupfer oder Gold.

Detailansicht der Stiche im Objekt Nr. 43. Klick auf die Punkte im Bild!

_DSC4488~2.JPG

Muşabak

Dieser osmanische Stich wurde häufig im späten 18 Jh. bis ins frühe 20 Jh. benutzt, er ist einzigartig und typisch für die osmanische Stickerei.

Durch das Festziehen der Fäden entsteht ein geometrisch wirkendes Netz aus diagonalen Löchern. Je nach Material, Dicke des Fadens und wie fest die stickende Person zieht, können ganz unterschiedliche Texturen und Oberflächen kreiert werden. Grundlage ist aber immer die gleiche Technik.

Anleitung für den Muşabak ©ELLIS/WEARDEN 2001

Ein Stich, viele Gesichter


Detailansicht der Stiche im Objekt Nr. 45. Klick auf die Punkt im Bild!

Nr_45.jpg

Mürver

Der Name dieses Stiches kommt vom türkischen Wort „Mürver“, was übersetzt Holunder heißt. Er ist ein weiterer typischer osmanischer Stich. Wie beim Muşabak werden auch hier die Fäden festgezogen und es entsteht ein Lochmuster. Dieses soll den Holunderblüten ähneln. Da dieser Effekt auf unterschiedliche Weise erreicht werden kann, gibt es mehrere Stiche, die als Mürver bezeichnet werden.

Anleitung für Mürver ©ELLIS/WEARDEN 2001





Hier wird Mürver auf eine andere Art und Weise gestickt. Trotzdem sehen die Ergebnisse fast gleich aus.

Detailansicht der Stiche im Objekt Nr. 31. Klick auf die Punkt im Bild!

Nr_31.jpg

Ein Blick in die Ausstellung

Wie können wir spezifisches Wissen verständlich und interessant mit anderen teilen? Diese Frage steht nicht nur beim Erstellen einer Story im Mittelpunkt, sondern auch bei der Entwicklung von Ausstellungen.

In unserer Ausstellung zu Osmanischen Stickereien sah es so aus: Wir haben eine ganze Vitrine den Techniken und Materialien gewidmet. Die blauen Modelle zeigen die Sticktechniken, die auch in dieser Story vorgestellt wurden und in den Reagenzgläsern befinde sich Seide- und Baumwollfäden sowie der Metalllahn. Außerdem wurden an ausgewählten Objekten Mikroskopaufnahmen gezeigt, sodass die Techniken direkt am Textil sichtbar wurden.

In der Ausstellung, Labels und Vitrine, Fotos: Carolin Schütte, Farwah Rizvi
Hier findet ihr mehr zum Aufbau der Sonderausstellung „Gestickte Gärten - Textilien aus der Sammlung Borgs“

Vom Karton bis zur Ausstellung

Ein Blick in die Textilwerkstatt

_DSC4453.JPG