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Hinter den "Un:worten" stehen Geschichten, die Fragen um Zerteilung und Ergänzung, Bewahren und Zerstören, Erinnerung und Vergessen vertiefen. Entstanden sind sie im Rahmen der Sonderausstellung In:complete. Zerstört – Zerteilt – Ergänzt, zu sehen in der Kunstbibliothek (30.09.2022 bis 15.01.2023). Diese vereint Exponate aus 23 musealen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz von der Prähistorie bis in die Gegenwart.
un:sicher ♦ Wie kann das Museum seine Kunstwerke vor Zerstörung bewahren? un:wichtig ♦ Was sammelt ein Museum und wie bewahrt es die Objekte für zukünftige Generationen? un:echt ♦ Gibt es im Museum nur Meisterwerke und authentische Zeugnisse der Vergangenheit zu sehen? un:sichtbar ♦ Wann gilt ein Kunstwerk als vollendet? un:brauchbar ♦ Was macht das Sammeln aus den Objekten und nach welchen Kriterien erfolgt ihre Musealisierung? un:vergesslich ♦ Wie verstehen wir Kunst im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit?
Doch wer entscheidet, was wichtig ist? Und wer, was aufgehoben werden soll, wenn Ressourcen wie Platz oder Energie in den Depotlagern begrenzt ist?
Wie wichtig die Bewahrung von Kulturerbe ist, ist unumstritten. Durch verschärfte Sammlungsprofile, die es immer wieder auszuloten gilt, müssen Museen sehr gut wählen, was wichtig ist und was sie sammeln wollen.
Ebenso sind Museen in der Pflicht, nicht alles anzunehmen, was ihnen angeboten wird: beim Erwerb eines Objektes gilt es immer genauestens die Provenienz des Objektes zu prüfen. Es dürfen keine Objekte angenommen werden, die gestohlen oder geraubt oder anderweitig illegal auf den Kunstmarkt gekommen sind.
Eine Kernaufgabe des Museums ist seine Funktion als kulturelles Gedächtnis der Menschheit. Dafür ist es wichtig, die Bestände so zu dokumentieren, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden und für nachfolgende Generationen erhalten bleiben.
Sobald ein Objekt in eine Sammlung einzieht, wird es inventarisiert. Das heißt, es wird in das Bestandsverzeichnis aufgenommen und erhält eine unverwechselbare Inventarnummer. Mit der Inventarisierung geht das Objekt in die Verantwortung des Museums über.
Die Dokumentation im Museum umfasst die Eingangsdokumentation, die Inventarisierung sowie die wissenschaftliche Katalogisierung und Erschließung.
Im Inventarbuch werden die Objekte dokumentiert, die in das Eigentum des Museums übergegangen sind. Zur Grunderfassung gehören das Zugangsdatum, die Objektbezeichnung mit einer Kurzbeschreibung, Angaben zum Vorbesitz und zur Art des Zugangs, ein Foto (oder eine Zeichnung), gegebenenfalls der Anschaffungspreis sowie Datum und Unterschrift oder Namenskürzel der Bearbeiter:innen.
Das System der Vergabe von Inventarnummern unterscheidet sich von Museum zu Museum, sogar von Abteilung zu Abteilung. Wichtig ist, dass die Objekte unter einem (Lettern-Zahlen) System so erfasst sind, dass sie zweifelsfrei zuzuordnen und einfach wiederzufinden sind.
Auch die Aufbewahrung der Objekte in verschiedenen Depoträumen folgt einer ganz bestimmten Systematik. Meist unterscheiden sie sich von der Materialgattung: Keramik-Depot, Handschriften-Depot, Textil-Depot...
Heute haben Museen ein Datenbanksystem, in dem sie ihre Dokumentation eintragen. Hier wird neben den Grunddaten wie Entstehungsort und -zeitraum alles festgehalten, was das Objekt betrifft:
Der Stand der Restaurierung, die Aufbewahrungsbedingungen wie zum Beispiel die erforderliche Raumtemperatur oder die Luftfeuchtigkeit, die Provenienzgeschichte des Objekts und die Literatur, in der es erwähnt wird; es können auch Fotoaufnahmen abgelegt werden.
Wichtig ist, immer zu dokumentieren, wenn das Objekt seinen Standort ändert, sei es, dass die Restaurator:innen es in ihre Werkstatt nehmen oder dass das Objekt in einer Ausstellung gezeigt wird - so geht es nicht verloren!
Es gibt viele Fernsehshows und Selbsthilfebücher zum Thema "Aufräumen", die den Zuschauer:innen und Leser:innen beibringen sollen, wie sie Ordnung in ihr eigenes Zuhause bringen. Ein wiederkehrender Tipp ist das Einteilen der Gegenstände in Kategorien, die Sortierung nach Farbe, das Einordnen in ein System von verschiedenen Behältern und die Beschriftung derselben. Ganz ähnlich, wie wir es auch für das Depot gesehen haben.
Beim Aufräumen spielt auch das Ausmisten eine große Rolle. Aufräumexpertin Marie Kondo empfiehlt, an jeden Gegenstand die Frage zu stellen, ob er einem Freude bereitet ("Does it spark joy?"). Wenn nicht, wird aussortiert.
Die Frage ist im Kontext des Museums so nicht anwendbar. Es gibt viele Gründe, warum das Museum seine Objekte bewahrt.
Nicht nur bei der Auswahl neu zu erwerbender Objekte kann das Museum über sein Sammlungsprofil nachdenken. Auch die vorhandene Sammlung kann immer wieder neu ins Auge gefasst und hinterfragt werden. Es gibt gute Gründe, auszumisten!
Gerade kleine Museen, die unter Platzmangel leiden, können durch ein verschärftes Profil, Objekte "deakzessieren", das heißt aus ihrer Sammlung aussondern.
Auch in anderen "Ausnahmefällen und in Übereinstimmung mit dem Sammlungskonzept ist die Abgabe beziehungsweise Aussonderung eines inventarisierten Objekts möglich" - so drückt sich der Deutsche Museumsbund aus (Leitfaden oben). Gründe hierfür können das Vorhandensein einer Dublette, der Tausch gegen ein relevantes Objekt, zu starker Verfall, eingetretene Zerstörung oder Restitution sein.
Forschung wird laufend hinterfragt: jede Generation von Wissenschaftler:innen verfolgt einen neuen Ansatz und kommt so zu neuen Ergebnissen. Sie alle sollten Zugang zu den Objekten im Museum erhalten.
Je mehr Forscher:innen sich einem Thema widmen, desto mehr erfahren wir darüber. Je mehr Daten erhoben und ausgewertet werden, desto umfangreicher das Bild, das sich ergibt.
Besonders bei naturwissenschaftlichen Analysen kommt es zu immer neuen Methoden, Wissen zu generieren. Bei der C-14 Methode zum Beispiel kann das Alter von bis zu 60'000 Jahre alten Objekte auf wenige Jahrzehnte genau bestimmt werden.
Wer weiß was zukünftige Methoden alles über "alte Dinge" herausfinden können?
Auch unsere zeitgenössische Alltagskultur, die wir als "ganz normal" empfinden, wird für spätere Generationen Forschungsgegenstand werden... "Was haben die sich damals wohl dabei gedacht...?"
Unter dem Hashtag #CollectingCorona rief das Museum Europäischer Kulturen dazu auf, alles zu sammeln, was die Menschen mit dem Leben in Zeiten der Corona-Pandemie verbinden. So können sich auch spätere Generationen vorstellen, was es hieß, die Pandemie zu erleben.
Was gilt es von unserem Heute für künftige Generationen zu bewahren?
Es gibt viele Gründe, Objekte in Museen zu bewahren.
Der International Council of Museums (kurz ICOM) zählt das Bewahren von materiellem und immateriellem (Kultur)erbe zur Definition des Museums.
Jede Generation von Museumsmitarbeitenden legt ihre Verantwortung in die Hände der nächsten. Dieser Herausforderung stellen sich die Mitarbeiter:innen am Museum laufend aufs Neue.