de
Schon seit dem 23.10.2023 ist das Pergamonmuseum geschlossen. Doch obwohl keine Besucher:innen da sind, steht das Museum nicht still. Ganz im Gegenteil, es herrscht reger Betrieb. Alle Tafeln, Vitrinen, Bänke, und natürlich die Exponate werden vor den Renovierungsarbeiten abgebaut. Als eine der ersten Objektgruppen waren die Teppiche dran.
Schon bei der Gründung der Sammlung im Jahre 1904 spielten Teppiche eine zentrale Rolle. Immerhin wurde die Gründung unter anderem durch die Schenkung von Bodes privater Teppichsammlung möglich gemacht. Damit ging auch die erste Inventarnummer I. 1 an einen Teppich.
Bevor der Abbau beginnen kann, werden im ganzen Museum intensive Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Nur eine limitierte Personengruppe hat überhaupt Zugang zum Museum, und innerhalb dieser wird genau dokumentiert, wer wann ein- und auscheckt. So kann gewährleistet werden, dass die Objekte vor Diebstahl und Beschädigung geschützt sind, und dass die Mitarbeitenden beim Abbau nicht durch zu viel Personenverkehr unnötig behindert werden. Zusätzlich zum Schutz der Objekte wird natürlich auch auf den, der Mitarbeitenden geachtet. Das zeigt sich vor allem darin, wie mit Staub umgegangen wird. Die Dauerausstellung stand über 20 Jahre lang, viele der Teppiche wurden mit Bioziden behandelt - Schädlingsbekämpfungsmittel, die bei übermäßigem Kontakt und Einatmen von damit kontaminierten Stäuben für den Menschen gesundheitsschädlich sein können. Deshalb werden die Teppichräume mit Staubschutztüren abgesondert, hinten denen Maskengebot herrscht. Auch Ganzkörperschutzanzüge und Handschuhe werden für die Abbauarbeiten angelegt. Bevor mit den Abbauarbeiten wird, wird aus den Räumen alles entfernt, was nicht geknüpft an einer Wand hängt. Also anderen Objektgruppen, sowie Infotafeln, Vitrinen und Bänken. So wird für die Materialien und Arbeiten Platz geschaffen und der Schutz von anderen z.T. zerbrechlichen Objekten gewährleistet.
Am Anfang der Arbeit steht das behutsame Absaugen. Zur Schonung der fragilen und teilweise brüchigen Fasern werden besonders feine Staubbürsten benutzt und feinmaschige Netze auf die Saugfläche gehalten. Je nach Größe des Teppichs (und der Größte ist immerhin über sieben Meter lang) ist das eine herausfordernde Aufgabe. Denn der Balanceakt auf der Leiter oder dem wackeligen Gerüst, und die Anstrengung beide Arme koordiniert oben zu halten, erfordert viel Ausdauer.
Trotzdem ist es keine undankbare Aufgabe, denn so hat man die Chance dem Teppich sehr nahe zu kommen, und das auf zwei Ebenen. Zum einen kann man den Motiven mehr Aufmerksamkeit schenken, zum anderen stellt die (vorsichtige) Berührung einen weiteren Sinneseindruck zur Begreifung des Teppichs dar. Beides lässt den Teppich noch realer werden, als wenn er nur vor einem an der Wand hängt.
Denn selbst wenn man die einzelnen Knoten mit dem Auge erkennen kann, so wird die Arbeit und Kunstfertigkeit, die dahintersteckt, doch erst spürbar, wenn man die vielen Knoten unter den Fingern fühlt.
Danach wird der Rahmen, auf dem der Teppich montiert ist, von der Wand abgehangen. Je nach Größe müssen dabei mehr oder weniger Hände anpacken und den Teppichrahmen stabil halten, während die Halterungen gelöst werden. Wenn möglich, wird er sogleich gewogen, um die Gesamtmasse von Teppich, Rahmen und Stoffplane festzuhalten. Wenn der Rahmen auf Schaumstoffpolstern auf dem Boden steht, möglichst ohne, dass sich davor jemand die Finger eingeklemmt hat, wird auch die Rückseite gesaugt. Weil es sich hier nur um einen Trägerstoff handelt, auf dem der Teppich vorne befestigt ist, wird kein Netz gebraucht. Bei diesem Schritt wird auch der Rahmen skizziert und seine einzelnen Vierkantrohre ausgemessen.
Nun geht es damit weiter, dass der Teppichrahmen auf Böcke gelegt wird, damit man bequem die Nähte öffnen kann, die den Teppich von hinten und an den Seiten auf der Trägerplane fixieren. Dabei zeigt die Vorderseite des Teppichs nach oben. Die Nähte werden mit einer Schere durchtrennt und herausgezogen. Manche Nähte werden auch von der Unterseite gelöst. Gerade dann, wenn man unter dem Teppich sitzt, merkt man den Vorteil dessen, dass schon vorher gesaugt wurde, sodass keine Staubflocken mehr auf einen runterrieseln.
Abschließend wird der Teppich zur Lagerung um eine säurefreie Rolle gerollt. Ein erstes Ein- und Entrollen hilft beim behutsamen Wenden, damit die Rückseite des Teppichs oben liegt. Beim zweiten Rollen wird ein Schutztextil beigelegt, das den Teppich am Ende vollständig einhüllt. Um die Fasern des Teppichs zu schonen, wird der Teppich immer entgegen der Herstellungsrichtung aufgerollt, also von oben nach unten. Ähnlich wie bei einem Tierfell geht es darum, die Wollfasern nicht ‚gegen den Strich‘, sondern glatt aufzurollen. Der fertig aufgerollte Teppich wird gewogen und in einer passgenauen Kiste verpackt.
Doch nur, weil der Teppich an sich verstaut ist, ist die Arbeit nicht vorbei – ganz im Gegenteil. Im nächsten Schritt werden Rahmen und Plane umgedreht und die beiden Bestandteile voneinander getrennt. Beim Lösen der Plane werden die teilweise meterlangen Seile, die die Plane mit viel Spannkraft am Rahmen halten, aufgewickelt und die ausgefransten Enden mit ein wenig Feuerkraft zusammengeschmolzen. Manche Planen werden nach dem Wiegen zur Wiederverwendung eingepackt, andere sind beschädigt oder so stark verschmutzt, dass sie entsorgt werden müssen.
Der Rahmen wird ebenfalls nochmal gewogen, die einzelnen Vierkantrohre für den zukünftigen Zusammenbau beschriftet und darauffolgend mit einem Hammer in seine Einzelteile zerlegt. Dabei kann man die ganze Anspannung rauslassen, die sich aufgestaut hat, als man in vorherigen Schritten aufpassen musste, die Teppiche möglichst behutsam zu behandeln. Aber dann ist die Arbeit vollendet. Alle Daten werden zusammengetragen und die Identifikationspapiere an die Wand mit den gepackten Teppichen geheftet. Kleinere Teppich werden übrigens nicht demontiert, sondern mit Rahmen und Plane verpackt.
Man macht sich selten Gedanken, was für Arbeit eigentlich hinter dem Aufbau einer Ausstellung steckt. Zu sehen, dass ganz alltägliche Arbeitsschritte dahinterstecken, ist fast ein wenig enttäuschend, weil es die Objekte entmystifiziert. Gleichzeitig lernt man aber dabei so viel über ihre Beschaffenheit und Besonderheiten. Es ist auch ein seltsames Gefühl, dazu beizutragen, ein Museum zu leeren. Ein Museum ohne Objekte ist im Endeffekt auch nur ein Gebäude wie ein jedes andere. Aber der Abbau stellt kein Ende dar, sondern im Gegenteil, einen Anfang.
Für eine kurze Zeit gehen die Teppiche zur Befreiung von möglichen Schädlingen in die Stichstoffkammer. Bis zur Wiedereröffnung der Dauerausstellung verbringen sie die Zeit dann entweder im Depot oder in der Restaurierung. Und somit werden die Teppiche schon wieder zur erneuten Präsentation vorbereitet, bis zum Wiedersehen im nicht ganz so weit entferntem Jahre 2027.
Tauche ein in die reiche Geschichte unserer Berliner Teppichsammlung.
Ein kaukasischer Drachenteppich aus dem 17. Jh. - der Star des "CulturalxCollabs - Weaving the Future" Projekts. Aber wo ist der Drachen eigentlich?