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Mit dem Fragment folgen wir der Reise der Besitzer:innen und ihrer Collabs. Sie entdecken und experimentieren mit gesellschaftlich relevanten Themen, die sie auf kreative Weise vorantreiben.
Hier stellen wir Euch das Fragment vor, so wie wir es auf seine dreieinhalbjährige Reise schicken.
Folg dieser Story und erleb die Transformation des Fragments im Laufe der Jahre...
Ich erhielt Teppichfragment #53 von meiner guten Freundin Margi Lake. Wir haben uns 2021 kennengelernt, nachdem ich beruflich nach Groningen gezogen war. Unsere Verbindung? Islamische Geometrie! Da ich nie besonders gut darin war, menschliche Figuren zu zeichnen, fühlte ich mich eher zu abstrakten Formen hingezogen – vor allem zum Zeichnen und Verbinden von Linien mit dem Lineal. Bei einem Besuch im Jahr 2018 im Museum für Islamische Kunst kaufte ich ein Aquarellbuch voller islamischer Muster – das war der Beginn meiner Reise in die islamische Geometrie. Nachdem ich einige Seiten ausgemalt hatte, wollte ich lernen, die Muster selbst zu zeichnen. Online fand ich viele Ressourcen, darunter Einführungskurse von Samira Mian. Ihre Kurse führten mich zu Art of Islamic Pattern, einem Studio in London, das von Adam Williamson und Richard Henry gegründet wurde. Sie bieten Workshops in den Bereichen Musterzeichnen, Intarsien, Stuckarbeiten u. v. m. an – und reisen gemeinsam an viele Orte weltweit, um über Geometrie zu unterrichten. An einer ihrer Studienreisen teilzunehmen wurde zu einem Traum von mir. Doch da ich damals gerade mein Masterstudium abschloss, schien es etwas Unerreichbares zu sein. Doch dann geschah etwas, das keiner von uns je vergessen wird: die Pandemie 2020.
Ich verlor meinen Nebenjob als Lehrerin, weil alle Schulen geschlossen wurden, und saß mit wenig zu tun zu Hause fest. Da auch das Reisen nicht mehr möglich war, beschlossen Adam und Richard, ihre Kurse online anzubieten. Plötzlich waren ihre Workshops, die sonst in Marokko, Spanien oder der Türkei stattfanden, für alle zugänglich. Ich war sofort dabei!
Woche für Woche nahm ich an mehreren Zeichenkursen teil und erstellte zwischen den Kursen Kunstwerke mit Aquarell und Gouache. Es wurde schnell klar, dass viele Teilnehmer:innen regelmäßig in denselben Kursen auftauchten. So entstand schließlich die Gruppe Women Who Art. Anfangs war es nur ein Chat auf Instagram, aber schon bald wechselten wir zu WhatsApp, wo täglich Hunderte Nachrichten über Kurse, Muster, Farben, Zirkel – und alles, was man teilen wollte – ausgetauscht wurden. Während der Kurse schrieben wir uns Nachrichten, wie es gerade läuft, und nach dem Unterricht blieben wir online, um gemeinsam zu zeichnen, zu malen und zu plaudern. Über die Jahre entwickelten sich echte Freundschaften. Und als sich die Welt langsam wieder öffnete, wurden die Gesichter, die zuvor nur in kleinen Zoom-Fenstern zu sehen waren, real. Seltsamerweise fühlte es sich nicht seltsam an, sich im echten Leben zu treffen – es war, als würden wir uns schon ewig kennen. Die Muster hatten uns längst miteinander verbunden – der Rest ergab sich ganz von selbst...
Nach mehreren Treffen in verschiedenen Ländern beschlossen acht von uns aus der Gruppe Women Who Art, eine Ausstellung zu organisieren, um einige der Kunstwerke zu zeigen, die wir seit unserem Kennenlernen im Jahr 2020 geschaffen hatten. Acht Frauen unterschiedlicher Nationalitäten und Herkunft (Argentinien, Bangladesch, Niederlande, Pakistan, Vereinigtes Königreich), verbunden durch ein gemeinsames Element: Geometrie. Wir alle brachten mehrere Werke mit – viele davon basierten auf Mustern, die wir in Kursen von Adam Williamson und Richard Henry gelernt hatten – und stellten sie am perfekten Ort aus: im Art of Islamic Pattern Studio in London. Die Ausstellung fand über drei Tage hinweg statt (11.–13. Juli 2025), und insgesamt kamen über 100 Besucher:innen – darunter viele Mitglieder der Women Who Art-Gruppe. Und welches Werk auf meiner Seite der Ausstellung erhielt die meiste Aufmerksamkeit? Fragment #53!
Nach einer Reise nach Island gestaltete ich ein Kunstwerk mit dem Titel Woven Voices, bei dem ich Farben verwendete, die von Fragment #53 inspiriert waren. Ich stellte sowohl das Teppichfragment als auch das Kunstwerk nebeneinander in unserer Ausstellung „Connected by Geometry“ aus.
Am Ende der Ausstellung machten wir alle gemeinsam ein Foto mit Fragment #53, um unsere CulturalxCollab zu würdigen. Ohne unser gemeinsames Interesse an islamischer Geometrie – und die Pandemie, die alles ins Rollen brachte – hätten wir uns wahrscheinlich nie kennengelernt, und diese Zusammenarbeit wäre nie zustande gekommen.
Um das Fragment noch ein wenig länger in der Women Who Art-Familie zu behalten, habe ich Tara Sartorius nominiert – ein geschätztes Mitglied und Freundin aus den USA. Da Tara ebenfalls zur Ausstellung gekommen ist, konnte ich ihr das Fragment bereits in einem unserer liebsten Kunstläden in London vorstellen – umgeben von Hunderten Farben und Pigmenten. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie die Reise von Fragment #53 weitergeht!
Es ist mir eine große Freude, an dem Projekt „CulturalxCollabs – Weaving The Future“ teilzunehmen, einer Initiative des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum in Berlin. Vor einem Monat erhielt ich Teppichfragment #53/100, und die Geschichte begann sich zu entfalten...
Teil I meiner Geschichte trägt den Titel „Die Alchemie des Feuers“, da er sich auf Negredo konzentriert, die erste Phase im alchemistischen Prozess – in diesem Fall das Schwärzen des Teppichs durch eine Brandbombe während des Zweiten Weltkriegs. Aus diesem geschwärzten Gewebe gehen die Keime des Lichts und der Erneuerung hervor, die sich in einen reichen Wandteppich aus individuellen Geschichten und Bildern verwandeln. In meiner Geschichte sind Fäden der Geschichte, des Erbes, der Kultur, der Symbolik, der geometrischen Kunst und der lokalen Designtraditionen miteinander verwoben. In der Alchemie erscheint der Drache oft als Ouroboros, eine Schlange, die ihren Schwanz verschlingt, als Symbol für die Zyklen der Transformation, der Erneuerung und der Einheit der Gegensätze. Die Kraft authentischer Kunst- und Handwerkspraktiken besteht darin, dass sie alten Traditionen neues Leben einhauchen und Einzelpersonen und ihre Gemeinschaften rund um den Globus miteinander verbinden.
Als Geometerin, Künstlerin und Dichterin mit einer Leidenschaft für das traditionelle Zeichnen mit Zirkel und Lineal und das Malen (in Aquarell) von historischen Mustern, die in der islamischen Welt zu finden sind, habe ich für mein Kunstwerk ein Ziegelmosaik in der Jameh-Moschee von Varamin aus dem XIV. Jahrhundert gewählt, etwa 1.500 km nördlich des Kaukasus.
Wir danken Aslam Qureshi für die Überlassung seiner Analyse dieses Musters, das hier (links) während der Renovierungsarbeiten in der Jameh-Moschee von Varamin, Iran, abgebildet ist.
Nach dem Übertritt zum Islam, errichteten die Ilkhaniden zahlreiche Moscheen und Sufi-Schreine in Städten im ganzen Iran. Nach dem Tod des letzten ilkhanidischen Herrschers der vereinigten Dynastie im Jahr 1335 zerfiel das Reich, und eine Reihe lokaler Dynastien kam im Irak und Iran an die Macht, die den von den ilkhanidischen Meistern vorgegebenen Stil weiterführten.
Ich habe mich für dieses Muster entschieden, weil Varamin für seine besonderen Teppiche berühmt ist, von denen jedes Stück eine einzigartige Mischung aus Tradition und Handwerkskunst darstellt. Berichte aus erster Hand von lokalen Knüpferinnen und Knüpfer lassen vermuten, dass die Motive nicht nur dekorativ sind, sondern eine Form der Erzählung darstellen. Jeder Teppich ist eine gewebte Erzählung, die Geschichten über das Leben, die Natur und den tiefen Glauben des Knüpfers wiedergibt. Die komplizierten Designs und die hochwertigen Materialien, die für die Varamin-Teppiche verwendet werden, zeugen von dem reichen Erbe der Region und dem Können der Weberinnen und Weber.
Teil II meiner Geschichte wird zeigen, wie die Arbeit voranschreitet, Details darüber liefern, wie und wo die Replik des Drachenteppichs hergestellt wurde und mehr über die Symbolik der kaukasischen Drachenteppiche im Allgemeinen erzählen.
Das Projekt des Museums für Islamische Kunst "CulturalxCollabs - Weaving the Future" feiert die transformative Kraft des kulturellen Austauschs und die gesellschaftlichen Verflechtungen, die uns alle vereinen. Alles, was wir lieben, geliebt haben und jemals lieben werden, stammt aus kulturellem Austausch, Migration und Vielfalt, oder wie wir es gerne nennen, #CulturalxCollabs.
100 Teppichfragmente, aus einer Replik des ikonischen Drachenteppichs geschnitten, werden die Welt bereisen (unterwegs mit DHL). Mit Hilfe der Collab-er werden die Fragmente #CulturalxCollabs bereichern, menschlichen Einfallsreichtum inspirieren, Gemeinschaft fördern und letztendlich zeigen, wie kultureller Austausch all unsere Leben bereichert.
Folg #CulturalxCollabs auf Instagram und erleb wie sich das Projekt entfaltet...
Begleite uns auf eine Reise mit 100 Teppichfragmenten, die dreieinhalb Jahre lang rund um die Welt reisen, vorübergehende Zuhause finden und dabei kulturelle Grenzen überbrücken. Vereint durch die Kraft persönlicher Geschichten fördern die Fragmente eine weltweite Gemeinschaft.
"CulturalxCollabs - Weaving the Future" - 1 Projekt, 100 Teppichfragmente. Folge ihrer Reise mit den immer wieder wechselnden Besitzer:innen innerhalb der nächsten 3,5 Jahre.
Ein kaukasischer Drachenteppich aus dem 17. Jh. - der Star des "CulturalxCollabs - Weaving the Future" Projekts. Aber wo ist der Drachen eigentlich?