2741449__2.jpgErnst Herzfeld: Stuckornamente, Platten nach der Abnahme, 1911-1913. Glasnegativ, 13 x 18 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Pl. Sam 38

Samarra Revisited - Erforschen

Grabungsfotografien helfen Archäolog:innen und Provenienzforscher:innen bei der Forschungsarbeit.

Das Museum für Islamische Kunst digitalisierte im letzten Jahr die Glas- und Kunststoffnegative sowie Diapositive der zwei Ausgrabungskampagnen des Museums in Samarra (heute: Irak) in den Jahren 1911-13.

In der Ausstellung Samarra Revisited wurden nun erstmals alle ca. 1.500 erhaltenen Aufnahmen zugänglich gemacht. Selbst den Museumsmitarbeiter:innen war der Bestand daher nicht vollständig bekannt.

So entstand die Idee, jetzige und ehemalige Mitarbeiter:innen zu bitten, sich die Digitalisate einmal genauer anzuschauen. 24 Teilnehmende wählten fünf Aufnahmen aus Samarra, die Berührungspunkte zu ihren Arbeitsgebieten haben. Das jeweilige kommentierte „Lieblingsfoto“ finden Sie als Digitaldruck in der Ausstellung. Alle weiteren ausgewählten Digitalisate und die Begründung für deren Wahl sind in der Medienstation abrufbar.

Diese Auswahl zeigt das breite Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten von Grabungsfotografien: Sie helfen Archäolog:innen und Provenienzforscher:innen, Funde zu verorten - ERFORSCHEN. Sie zeigen, dass sich Grabungsfotograf:innen früher wie heute bemühen, einen Abgleich ihrer Aufnahme mit dem Original zu erlauben - ABGLEICHEN. Da die fotografierten Fundsituationen durch die Ausgrabungsarbeiten für immer verloren gehen, ist die Bedeutung der Fotografie nicht zu unterschätzen! Die Fotos dienen aber auch als Anknüpfungspunkte an aktuelle gesellschaftliche Diskurse - HINTERFRAGEN. Sie erfreuen und inspirieren - FREUEN. Nicht zuletzt dokumentieren die hier gezeigten Fotos einen herausragenden Fundplatz der islamischen Archäologie, der bis heute nichts an seinem Reiz eingebüßt hat - VERORTEN.

Ute Franke, Archäologin

"Aus meiner Sicht als Archäologin geben die Fotos wichtige Aufschlüsse über Fundsituationen.

Hier sieht man im Profil vier aufeinanderfolgende Phasen: auf dem Ziegelfußboden zwei Ziegelmauern, dazwischen zwei Lagen Versturz, darüber eine spätere Schuttschicht."

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Ernst Herzfeld: Große Moschee, Schutthalden am Südvorbau, 1911. Digitaldruck, Glasnegativ, 13 x 18 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Pl. Sam 314

Der Blick einer Archäologin

Die Bilder sind keine dokumentarischen Grabungsfotos, aber sie zeigen bei genauem Hinschauen doch Bauphasen und Schichten. Viele Arbeiter „graben“ mit Hacken und räumen mit Loren den Schutt ab, Befundzettel oder Archäologen sind jedoch nicht zu sehen. So gibt es keine räumliche und nach Schichten getrennte Zuordnung der Funde. Das war jedoch 1911 durchaus schon üblich.

Außer der islamischen Stadt wurde bemalte Keramik aus dem 6. Jt. v. Chr. gefunden, die auch als Samarra-Keramik bekannt ist.

Die beiden Aufnahmen sind Ansichten der gleichen Situation: Das glatte Profil des Hügels zeigt Bau- und Schuttschichten, der Stumpf in der Mitte jüngere Schichten; der darunter liegende ältere Fußboden wurde teilweise entfernt und „Suchgräben“ nach unten angelegt.

Hier sieht man Steinfundamente in verschiedenen Höhen, darüber Ziegelaufbauten und verschiedene Mauern, Türdurchgänge mit Versturz und ganz oben eine Wasserleitung.

Stefanie Janke, Provenienzforscherin

"Grabungsfotos geben Aufschluss zur Herkunft von Objekten und den damaligen Grabungsmethoden. Hier wurde die Lehmziegelmauer abgetragen, um die dekorierte Stuckplatte zu entfernen.

Zudem liefern Beischriften wertvolle Hinweise für weitere Recherchen."

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Ernst Herzfeld: Stuckdekorationen, Privathaus IX, Zimmer 8, 1911-1913. Diapositiv (Glas), 8,5 x 10 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Dia Sam 120

Provenienzforschung und Grabungsmethodik

Aus meiner Perspektive als Archäologin und Provenienzforscherin ist es wichtig, anhand von Fotos den ursprünglichen Fundkontext eines Objekts rekonstruieren zu können. Dabei muss ich mich natürlich mit den Zielen und Fragestellungen der Grabung sowie damals angewandten Grabungsmethoden auseinandersetzen. Für eine Ordnung muss ich auch wissen, wie die Grabungsdokumentation angelegt war (z.B. nach Grabungskomplexen). Wichtige Hinweise liefern zudem die Beischriften und Motive auf den Fotos selbst.

Story zur Sonderausstellung "Samarra Revisited"

Samarra Revisited

Was geschieht eigentlich hinter den Kulissen im Museum? Die Sonderausstellung "Samarra Revisited - Grabungsfotografien aus den Kalifenpalästen neu betrachtet" eröffnet einen sehr persönlichen Einblick der Mitarbeiter:innen in die Museumsarbeit.

Ernst Herzfeld: Balkuwara, Zimmer 19, 1911-1913. Glasnegativ, 13 x 18 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Pl. Sam 258