Museumshunde_am_Tigris_by_A.Krappe.pngFarha und Komm am Tigris; © Grafik: Antonia Krappe

Wir sind Komm und Farha und wurden von der FSJ-lerin des Museums für Islamische Kunst beauftragt, uns hier ein bisschen mit euch zu unterhalten.

Hallo ihr Flöhe!

Unser Herrchen: Ernst Herzfeld

Farha: "Ach… ihr Grünschnäbel! Die Zeiten sind nicht mehr das, was sie mal waren… je älter wir werden, desto schneller rast die Zeit! Damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren wir bekannt wie bunte… ääh… Hunde eben!"
Komm: "Unser Herrchen war ein renommierter Archäologe und Wissenschaftler Namens Ernst Herzfeld. Ein sehr kluger Mann! Er war nämlich Mitbegründer der Vorderasiatischen und Islamischen Archäologie, Architektur- und Kunstgeschichte und Begründer der Iranischen Archäologie."
Farha: "Bevor du ins Schwärmen gerätst und von seinem außerordentlichen Streicheltalent sprichst, lass mich lieber reden… Er hat in den Jahren 1911 und 1912/13 die riesige Ruinenstadt Samarra freigelegt!"
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Porträt des Archäologen Ernst Herzfeld; © Grafik: Antonia Krappe

Farha: "Zusammen mit seinem Kollegen Friedrich Sarre! Der war auch ein hohes Tier und der damalige Leiter der islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin. Das Grabungsteam darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben."

Komm: "Wo befindet sich Samarra überhaupt?"

Farha: "Ca. 125 km nördlich von der irakischen Hauptstadt Bagdad am Fluss Tigris!"

Oh und nicht zu vergessen:

Auch Menschen aus der Samarra-Gegend haben geholfen, die Ruinen freizulegen. Sie bleiben in den Büchern namentlich unerwähnt.

Darüber, wie die, die vor Ort körperlich harte Arbeit geleistet haben, dort hinkamen und ob sie dafür entlohnt wurden, weiß man leider nicht viel.

Grabungsalltag in Samarra: Hier seht ihr Blaupausen-Abzüge dreier Fotos, die unbekannte Arbeiter:innen zeigen.

In Samarra wurde fotografiert, was das Zeug hält! Bei einer so aufregenden Grabung, muss alles genau festgehalten werden.


Farha und Komm, die Museumshunde
Farha und Komm am Knipsen; © Grafik: Antonia Krappe
Erfreut, wer sie sah!Erfreut, wer sie sah! © Grafik: Antonia Krappe

Der historische Name Samarras lautet übrigens „Surra Man Ra'a“, was so viel bedeutet wie „Erfreut wer sie sieht“.

Entdeckt ihr uns Schönheiten in den beiden Fotos?

Wir waren auch erfreut als wir diese alte Pracht gesehen haben.

So cool, dass uns unser bester Kumpel und Herrchen Herzfeld immer überallhin mitgenommen hat. Auch zu den Samarra-Grabungen. 

Zurück zum Thema!!!

Farha: "Wir wollen mit euch eigentlich über Fotografie sprechen. Genauer gesagt über Grabungsfotografie und Blaupausen."
Komm: "So spannend! Vor kurzem gab es im Museum eine Ausstellung zu einem Thema, bei dem unsere Expertise oft angefragt wird: Die Grabungsfotografien von vor über 100 Jahren aus Samarra!!!"

Ich erzähle unseren Flöhen erstmal, was eigentlich das Besondere an Grabungsfotografie ist, Farha!

HundecomicGrabungsfotografie © Grafik: Antonia Krappe
Was guckst du so?!

Ich musste mir die Fotos 5 Mal anschauen, bis ich entdeckt habe, dass die Vögel für meinen Geschmack etwas zu provokant gucken... frech!


Provokative Vögel
Provokative Vögel; © Grafik: Antonia Krappe

So, um das Thema abzuhaken und zu unseren Blaupausen zu kommen:

Grabungsfotografien sind auch für diejenigen praktisch, die sich in 100 Jahren immer noch über die Fundobjekte und Entdeckungen die Köpfe zerbrechen und sich im Büro nochmal alles ansehen wollen…

Komm: "Ohne extra in den Irak fahren zu müssen! Wäre ja auch gar nicht gut für die Umwelt!"

Farha: "Man kann kaum zu einem Ende kommen, wenn man alte Kulturen erforscht. Nie ist alles klar. Immer so viele neue Fragen! Ich wundere mich immer wieder, wenn jemand von weither bei uns Informationen anfragt, der z.B. eine Fliese aus Samarra für ein Projekt erforschen will oder so."

Komm: "Stimmt! Und da ist es auch praktisch, wenn man Fotos von den Objekten hat, die man mal eben einer interessierten Person in Australien zusenden kann. "

Jetzt wollen wir euch aber endlich eine Besonderheit unserer Samarra-Fotos zeigen. Ihr habt euch sicher schon gefragt, warum hier alle Bilder so blau sind…

Schwarz-weiß Bilder kennt man von früher… ja… super retro … aber warum blau? Macht man das so bei Grabungsfotografien?! Hat das einen bestimmten Grund?

GrabungsobjekteGrabungsobjekte; © Grafik: Antonia Krappe

Das Grabungsteam und wir fördern eine Menge an Kunstobjekten, Bauten und anderen hübschen Dingen zutage. Unmöglich, das ganze Zeug mit nach Hause zu nehmen. Die großen Paläste, Türme, Mauern usw. passen auch in keine Kiste. Leider!

Ihr müsst euch vorstellen: es ist 1911.

Ein Glück gab’s schon Kameras.

Allerdings haben wir damals noch andere Modelle gehabt, als es sie heute gibt.

Komm: "Nichts mit elektrisch, digital und so! Das Aufnehmen von Bildern lief komplett analog ab."
Farha: "Durch ein Objektiv wurde in einer Kamera unser Motiv auf eine lichtempfindliche Schicht (Platte, Film, Papier, Glasplatten) übertragen. Das hat viel mit Physik und Chemie zu tun, frag nicht nach genaueren Details! Dabei entsteht erstmal ein sogenanntes „Negativ“ Bild."
Komm: "Darauf ist alles Spiegelverkehrt! Auch die Farben sind entgegengesetzt. Um das Bild so aussehen zu lassen, wie in es in echt aussieht, muss man das „Negativ“ umwandeln in ein sogenanntes „Positiv“.
Etwas komplizierter, als gedacht… Schaut hier nochmal, um das Verfahren ausführlich erklärt zu bekommen" -->


Das Ding ist: Jetzt haben wir ein Problem. Wir haben den Überblick verloren.

Ups, es sind ziemlich viele Fotos geworden.

Und das sind auch noch nur die Negative!
Schwierig überhaupt zu erkennen, was auf welchen Fotoplatten abgebildet ist. Vor allem unpraktisch, wenn man nach etwas Bestimmten sucht. 

Schaut doch mal in unserer Online-Datenbank vorbei! Da könnt ihr euch fast alle Fotoplatten digital ansehen.

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Mach mal Blau!Mach mal blau!; © Foto: Blaupausensammlung, Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Welche Fotos sind denn jetzt überhaupt gut geworden?

MACH MAL BLAU!

Das können wir ganz einfach herausfinden. Wir bringen unsere Aufnahmen als Positiv auf Papier und wenden ein um 1900 sehr beliebtes fotografisches Druckverfahren an.

Die Cyanotypie!

...heißt auch Blaudruck. 

Sie ist eines der ältesten fotografischen Edeldruckverfahren. 1842 hat´s der Engländer Sir John Herschel entwickelt.
Das Cyanotypieverfahren
Das Cyanotypieverfahren © Grafik: Antonia Krappe

Und das geht so:

  • Bei der Cyanotypie wird zuerst eine Emulsion, also eine Mischung aus zwei chemischen Elementen, hier Eisen und Salz, selbst hergestellt.

…müssen aber die Menschen machen, mit Pfoten kleckert man immer ziemlich.

  • Damit bepinseln wir dann Papier, Stoff oder sogar Holz und lassen es trocknen.

Warten ist immer so schrecklich… 

  • Da unsere getrocknete Emulsion auf Sonnenlicht reagiert, können unsere Bilder sichtbar werden, wenn wir sie auf die behandelten Papierseiten legen und der Sonne aussetzen.

Strandtag für die Fotoplatten. An manchen Stellen kommt die Sonne durch die Platten, an anderen nicht. Da, wo Sonnenlicht auf die behandelte Unterlage trifft, verfärbt sie sich zunächst grünlich, wo nicht, bleibt sie weiß.

  • Zum Schluss badet man das Papier nochmal in Wasser, um überschüssige Emulsion herauszuspülen. Dadurch wird das grün dann auch zu unserem schönen Blau.

Fertig sind die Fotoabzüge! Blau hat Charme!


IMG_8348.pngBaden und trocknen © Grafik: Antonia Krappe
Chemische Formel CyanotypieverfahrenChemische Formel Cyanotypieverfahren © Grafik: Antonia Krappe
IMG_8346.pngLichtempfindliches Papier © Grafik: Antonia Krappe
IMG_8354.pngMotive wie Fotoplatten © Grafik: Antonia Krappe
IMG_8348.pngBaden und trocknen © Grafik: Antonia Krappe
Chemische Formel CyanotypieverfahrenChemische Formel Cyanotypieverfahren © Grafik: Antonia Krappe
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Und genau das haben Herzfeld und Sarre mit unseren ganzen Aufnahmen auch gemacht!

VerwackeltMisslungene Fotografie; © Foto: Blaupausensammlung, Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Da hat wohl jemand nicht still gehalten...

Verwackelt!

Man kann ja nicht ahnen, dass in 100 Jahren das gleiche Spiel beginnt.

Alles dreht sich um Digitalisierung aber auch das braucht seine Ordnung! Jetzt muss obendrein beides, Platten und Blaupausen, in Einsen und Nullen übersetzt werden.

Wie die Samarra-Fotos die Museumsmitarbeitenden heute auf Trab halten?
Guckt in unsere anderen Samarra-Stories! Spannendes erwartet euch!

Auch Interessant:

Sie machte die Cyanotypie 1841 durch ihre Bücher weltbekannt, in denen sie Farne und andere Pflanzen mit Blaupausen dokumentierte.

Anna Atkins

Die englische Botanikerin und Illustratorin, veröffentlichte das erste Buch, das ausschließlich mit Hilfe eines fotografischen Verfahrens illustriert worden war. Sie gilt zudem als eine der ersten Fotografinnen.

Sprache

Worte, die Fliegen

Kommt euch das Wort Blaupause irgendwie bekannt vor, aber im Zusammenhang mit Fotografie habt ihr´s bis jetzt nie gehört? Das liegt daran, dass es ein geflügeltes Wort, also eine Redewendung geworden ist. Beliebt bei Menschen der Politik, in Diskussionen und Analysen. Es reicht nicht, „Vorbild“, „Modell“ oder „Plan“ zu sagen. Man will lieber „Blaupause“ sagen. Klingt viel wortgewandter!

Na, auch mal Blau machen?

Probiert's aus!

Heute wird Cyanotypie gerne in der Bildenden Kunst verwendet. Ihr könnt super mit der Technik experimentieren und Spaß haben. Und sogar Stoffe bedrucken. Das Blaudruckverfahren ist ziemlich gut auch zuhause nachzumachen. Gegenstände, Schablonen - alles Mögliche - könnt ihr dafür verwenden. Am besten nicht allein, denn natürlich muss man mit den Chemikalien vorsichtig umgehen.

Je nach Stärke des Sonnenlichts, Menge der aufgetragenen Emulsion und Lichtdurchlässigkeit der Gegenstände variiert das Ergebnis. Anleitungen gibt es im Internet.

Folgt einfach dem Link unten rechts.


Tschüss ihr Kleinen, meldet euch gerne bei uns, wenn ihr coole Blaupausen gemacht habt, die ihr uns zeigen wollt!

Ihr bekommt nicht genug von Samarra? Hier gibt es mehr zu entdecken!

Stimmen und Erinnerungen an Samarra

Diverse Stimmen aus und zu Samarra die ihre Erinnerungen und ihr Wissen darüber mit uns teilen.

Ernst Herzfeld: Große Moschee, Südfront, 1911, Glasnegativ, 13 x 18 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Pl. Sam 307

Samarra Revisited

Was geschieht eigentlich hinter den Kulissen im Museum? Die Sonderausstellung "Samarra Revisited - Grabungsfotografien aus den Kalifenpalästen neu betrachtet" eröffnet einen sehr persönlichen Einblick der Mitarbeiter:innen in die Museumsarbeit.

Ernst Herzfeld: Balkuwara, Zimmer 19, 1911-1913. Glasnegativ, 13 x 18 cm, Museum für Islamische Kunst, Inv. Nr. Pl. Sam 258

Samarra digitalisieren

Erstmals sind nun alle ca. 1.500 erhaltenen Glas- und Kunststoffnegative sowie Diapositive der zwei Ausgrabungskampagnen online zugänglich.

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