Hier erzählen Menschen ihre Geschichten von Orten in der Stadt Aleppo. Sie haben persönliche Beziehungen zu den historischen Monumenten. Diese Erinnerungen fließen ein in das Neudenken und den Wiederaufbau der Orte - als immaterieller Aspekt der Aleppiner Kulturerbestätten.
Diese Beiträge sind im Rahmen des Interactive Heritage Map of Syria Project ebenso wie des Aleppo Heritage Catalogue Project entstanden. Ziel des Projekts war es die Geschichte und Architektur historischer Monumente in der Stadt Aleppo zu dokumentieren.
Die Aleppiner Zitadelle, Weltkulturerbestätte, ist nicht nur ein historisches Monument, sondern auch ein Ort der Erinnerungen, Liebe und Identität vieler Syrer. Diese Geschichte handelt von den Erfahrungen und Erinnerungen einer jungen Frau, von ihren Kindheitsträumen, von der Liebe und den Auswirkungen des Krieges.
...(Nordost-Syrien) als ich jung war. In den Sommerferien fuhr ich immer nach Aleppo, wo unser Ausflug stets an der Zitadelle begann. "Diese Zitadelle wird später mal mein Zuhause, sagte ich dann immer zu meiner Mutter - ohne genau zu wissen, warum. Als ich 13 Jahre alt war, zogen wir endlich nach Aleppo. Oft bat ich meinen Vater mit mir zur Zitadelle zu gehen und dann spazierten wir, meistens abends um sie herum."
"Eines Tages besuchte uns ein Verwandter und erzählte uns, dass es einer unserer Vorfahren (unser Großvater 7. Grades) gewesen war, der die Mauern der Zitadelle erbaut hatte. Er wurde "der mit dem roten Bart" genannt. Endlich gab es einen echten Beweis dafür, dass ich zu diesem Ort gehörte!"
...fand in der 10. Klasse während eines Schulausflugs statt. Es war als ob ein Traum war würde. Ich ließ meine Klassenkameraden zurück und begann meine Umgebung Stein für Stein zu erkunden. Erst in der Cafeteria traf ich wieder auf die Gruppe, ein Ort der heute leider völlig zerstört ist.
Ich besuche die Zitadelle immer zusammen mit meinen Freunden. Ich glaube, dass meine wahren Freunde diejenigen sind, mit denen ich die meisten Erinnerungen in der Zitadelle habe. Meine beste Freundin ist wegen des Krieges in die USA ausgewandert und ich erinnere mich immer an unsere gemeinsame Tour von der Umajjadischen Moschee in Richtung der Zitadelle, vorbei am Beroia Restaurant bis zur Madrasat al-Shibani. Ich mag es nachts durch Aleppo zu laufen, wenn es ruhig ist, aber sie fürchtete sich immer vor der Dunkelheit und dem regnerischen Wetter. Der Geruch des Regens ist unverwechselbar, es ist luftig und die Stimmung ist schön und komplett still, weil niemand um die Zitadelle läuft. Es ist für mich ein großes Vergnügen.
Sie fragte: "Warum magst Du Aleppo in der Nacht?"
Ich antwortete: "Da ist nichts, was meine Gedanken an die Zitadelle ablenkt. Der Blick mit den grauen Wolken und dem Regen ist umwerfend."
...ist meine wichtigste Erinnerung. Bei der Arbeit lernte ich jemanden kennen, der schnell verstand wie sehr ich Aleppo und seine Zitadelle mochte und der mir seine Liebe in einem Café mit Ausblick auf die Zitadelle gestand. Er wusste was für eine positive Energie dieser Ort mir gab. Ich erinnere mich an eine schöne Nacht mit klarem Himmel, hellen Sternen, eingehüllt in eine frische Frühlingsbriese. Die Atmosphäre war toll und der Ort war voll mit fröhlichen Menschen, die das schöne Wetter und die Musik genossen.
Immer wenn wir uns später stritten oder eine Meinungsverschiedenheit hatten, kamen wir zur Zitadelle, um zu diskutieren und Entscheidungen zu fällen. Unsere Liebesbeziehung hat nicht gehalten, aber sie war etwas besonderes.
Die Zitadelle ist mein Zuhause. Sie ist Teil meiner Identität, da ich an sie meine schönsten Erinnerungen habe. Ein Teil meiner Persönlichkeit und meines Charakters haben sich mit ihr entwickelt."
"Nach den bewaffneten Konflikten habe ich die Zitadelle drei mal besucht. Beim ersten Besuch war ich in einem Schockzustand. Ich habe versucht zu verstehen was passiert war. Das war sehr schwierig für mich, da ich konkrete Erinnerungen habe. Ich hatte einen ähnlichen Geruch wie früher erwartet aber diese Gerüche waren verschwunden. Eine schlechte Energie ging vom dem Ort und den Menschen aus mit einer Art Erschöpfung, Verwundung und Schmerz. Ich hatte ein sehr kompliziertes intensives Gefühlt dort, das ich nicht beschreiben kann. Es hatte mich immer sehr glücklich gemacht vor den antiken Steinen der Zitadelle zu stehen, ich wollte sie umarmen, wenn ich nur gekonnt hätte - aber jetzt tat mir genau das weh."
Neben der Cafeteria der Zitadelle stand früher ein Baum und als mein Traum den Ort zu besuchen das erste Mal wahr wurde, wollte ich das Datum festhalten, indem ich die Initialen meiner Freundin und von mir schwach und klein in den Stamm ritzte. Aber während des Krieges haben wir die Cafeteria und auch den Baum verloren - bis heute suche ich vergebens nach ihnen."
"Ich bin gewillt alles zu tun was der Zitadelle helfen würde. Ich hab versucht mich für eine Ausgrabung in der Zitadelle zu bewerben, die vom Antikendirektorat ausgerufen worden war, da ich etwas Erfahrung im Feld hatte. Leider hatte ich nicht das Glück teilnehmen zu können. Mag sein, dass diejenigen, die für den Job ausgewählt wurden mehr professionelle Erfahrung hatten, aber ich versuche auf meine Weise die Zitadelle zu bewahren und zu pflegen, so gut wie möglich - vor allem indem ich sie sauber halte. Es ärgert mich sehr, wenn ich Leute sehe, die die Zitadelle manipulieren oder nicht daran interessiert sind den Ort sauber zu halten. Also bitte ich Fremde damit aufzuhören Müll auf den Boden zu werfen, ich sage dann: "Ist es nicht genug, was der Zitadelle bereits passiert ist?"
Eigentlich ist es eher ein globales Erbe der gesamten Menschheit. Shakespeare hat über den Ruhm Aleppos geschrieben, als Welthandlungszentrum auf der Seidenstraße. Aleppo schließt die ganze Welt ein, nicht nur uns Syrer. Ich nehme Bilder aus allen Perspektiven der Zitadelle auf, obwohl ich keine professionelle Fotografin bin und schicke die Bilder der Zitadelle meinen Freunden im Ausland. Sie alle haben diese Nostalgie in sich, weil die Zitadelle Teil unserer Identität ist und sie fragen nach mehr Bildern.
Wir werden den Wert unserer Zitadelle verlieren, wenn wir nicht auf sie achten. Wir könnten damit anfangen den Menschen beizubringen die Zitadelle als ihr Zuhause wahrzunehmen und sie sauber zuhalten, wie ihre eigenen Häuser. Ich hoffe es wird Strategien geben zu verstehen, dass wir in den Fußspuren vergangener Zivilisationen laufen, die weiterhin bestimmen, wer wir heute sind."